Neues Rathaus der VG Dierdorf/Rheinland-Pfalz
Das Treppenhaus ist ein meditativer Rückzugsort, wo Kunst und Philosophie zusammenkommen. Hier soll es nicht um Verwaltung gehen. Hier wird eine Auszeit angeboten. Die Gäste bevorzugen das entschleunigte, literarische, künstlerische Treppenhaus vor dem schnellen Aufzug. Das Nachdenken über Bäume, Leitern und Treppen kann beginnen, und stärkt die Menschen, bevor sie wieder zur verwaltungstechnischen Tagesordnung übergehen müssen.
Per QR-Code und NFC-Tags im Treppenhaus und an der Außentreppe und per Monitor im EG werden Kurzgeschichten, Gedanken und kleine Filme zum Thema „Bäume, Leitern und Treppen“ präsentiert. Gelesen und gespielt von Hannelore Bähr und Rainer Furch. Start des Projektes ist März 2022. Ab Mai 2023 laufen KI-generierte Bilder auf dem Monitor im Eingangsbereich.
Von Bäumen, Leitern und Treppen
Die Liste der Naturdenkmale in und um Dierdorf ist angefüllt mit vielen schützenswerten, alten Bäumen, darunter die Zolleiche, die Walpodeneiche, die Kaisereiche, die „dicke Linde“ sowie Starkfichten und viele Buchen. Traurigerweise hat ein Sturm 2011 das alte Naturdenkmal „Zwillingseiche“ samt Wurzelballen umgeworfen. Diese Geschichte und der Schatz an Baumwundern ergaben den ersten Impuls für die Gestaltung des Treppenhauses im Rathaus Dierdorf und meine Arbeit: „Von Bäumen, Leitern und Treppen“.
Die Historie des Treppenbaus ist sehr alt. Bereits unsere tierischen Vorfahren haben an fast allen längerfristigen Siedlungsplätzen mit unterschiedlichen Höhenlagen Treppenartiges gebaut. Baumstämme mit eingekerbten Stufen hat man bereits im Neolithikum gefunden. Dadurch hat man sich in die Höhe bewegt. Daraus entwickelte sich wiederum die Leiter, aus der die eigentliche Treppe entstand. Neben der reinen funktionalen Ausrichtung wurde die Treppe schon bald zum gesellschaftlichen und architektonischen Ordnungsprinzip. Treppen, Steigen, Stiegen oder Stufen, haben schon immer etwas Verbindendes. In der Mythologie wie im Märchen, in der Geschichte, der Politik, Religion, in der Literatur, in der Kunst und natürlich in der Architektur.
Meine künstlerische Intervention im Treppenhaus des Rathauses von Dierdorf erfolgt auf zwei Arten: 1. Zum einen durch Malerei und Zeichnung an den Wänden, Treppenuntersichten und Decken des Treppenhauses und vor den Aufzügen in allen Geschossen. Thematisch beziehe ich mich auf die oben beschriebene Zwillingseiche, die auf der einen Seite die gesamte Höhe des Treppenhauses umfasst und hier eine neue Ehrung erfährt. Auf der gegenüberliegenden Seite zeige ich auf der gesamten Treppenhaushöhe die Walpodeneiche (südwestlich von Wienau), die ein aktuelles Naturdenkmal ist. Die Bäume werden stark abstrahiert und stilisiert direkt auf die glattgespachtelten Wände des Treppenhauses gemalt in den Farben GELB, GRÜNGRAU und GRAU. Darüber gelegt wird eine lockere, feine Zeichnung von abstrahierten Leitern und Treppen in einer weiten Landschaft mit einem grauen paintmarker direkt auf die Wand. Die Bäume sind durch die verschiedenen Geschoss-Unterteilungen auch nur in Segmenten zu sehen. Beim Besteigen der Treppen wird aber der Zusammenhang klar. Die freundliche, frische Farbigkeit kann einfach als pure Malerei gesehen werden. Die Zeichnungen auf diesen Farben, die auch den Aufzugs-Vorraum umfassen, ermöglichen eine intime Nahwirkung.
2. Zum anderen arbeite ich mit dem Thema Wort und Film per QR-Code und NFC-Tags. Diese Codes findet man im Treppenhaus. Besucher:innen des Rathauses können in diesem Treppenhaus verweilen. Sie können die Malereien und Zeichnungen der Wände in aller Stille betrachten. Und sie können mit ihrem Smartphone auf die Codes klicken und werden entführt in Geschichte und Geschichten von Treppen. Philosophische, wissenschaftliche, dadaistische, historische, literarische und humorvolle Texte werden hier vorgetragen von zwei bekannten Schauspielern, kleine Filme können betrachtet werden. 52 verschiedene Beiträge ermöglichen es, dass pro Woche im Laufe eines Jahres jeweils ein neuer Beitrag gehört, und in kleinen Filmchen gesehen werden kann.